Draußen herrscht Schmuddelwetter. Die Stimmung ist mitten im November hängengeblieben, obwohl es bereits Januar ist. Ich habe mich auf der Couch in eine Decke eingekuschelt, genieße die damit einhergehende Wärme. Mein Blick wandert aus dem Panoramafenster in den Garten hinaus.
Ich mag den Regen mehr sehen! Daher schließe ich die Augen und träume mich in eine Zeit zurück, als für mein kindliches Ich die Winterzeit noch Winter war. Und dann ist sie da. Unvermittelt, unerwartet – diese Sehnsucht nach Schnee ...
Im Traum stehe ich, warm bekleidet, vor meinem Elternhaus, schaue hoffnungsvoll zum
wolkenverhangenen Himmel hinauf. Plötzlich erfasst mein Blick einen winzigen Punkt. Ein einzelnes zartes Gebilde, geformt aus in der Höhe gefrorenem Wasser, schwebt vom Wind getragen zur Erde hinab. Zart, grazil, feengleich. Es landet direkt auf meiner Nasenspitze. Sofort breite ich die Arme aus, schicke diesen Sehnsuchtswunsch gen Himmel, der mein Flehen erhört. Der ersten, einsamen Schneeflocke folgen weitere Eiskristalle, verzauberten Sternen gleich. Immer mehr stürmen übermütig verspielt zur Erde. Lautlos, friedlich erobern sie Gärten, Straßen, Dächer. Legen einen weißen Schleier aus Magie über den grauen Alltag der Menschen. Eine verspielte Armee aus winzigen Geschöpfen tanzt immer wilder herab, bedeckt innerhalb weniger Minuten sogar die Tanne in unserem Garten mit dem weißen Zuckerguss der Natur. Fasziniert drehe ich mich inmitten des einsetzenden Schneefalls. Gleichzeitig breitet sich mit jedem Zentimeter Schnee, der auf der Erde liegenbleibt, innere Ruhe aus. Die Welt hört sich so anders an. Gedämpfter, stiller, als beträte man eine fremde Dimension. Das Schneegestöber wird stärker, kämpft gegen die Fantasielosigkeit der Menschen an. Mittlerweile kann ich nur noch wenige Meter weit schauen, denn eine endlose Geschwisterschar aus weißen Eiskristallen erobert jeden Winkel meiner Welt …
Und dann wache ich auf, sehe, wie erste Flocken eines Schnellfallballetts vor dem Panoramafenster
tanzen …